AG Diagnostic Decision Making

Fehlerhafte Diagnosen sind häufig, gerade in der Akutmedizin. Einige von ihnen können schwerwiegende Konsequenzen für die Patientinnen und Patienten haben. Trotzdem ist über ihre Häufigkeit, ihre Folgen und die Umstände, unter denen sie entstehen, bisher nur sehr wenig bekannt. Wir führen verschiedene klinische Studien durch, um das Problem besser zu verstehen und darauf aufbauend Interventionen zu entwickeln, die helfen, Fehldiagnosen zu reduzieren.

Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit Verfahren zur Messung und Förderung der Qualität diagnostischer Entscheidungen. Dabei liegt unser Schwerpunkt auf «ill-defined decisions»: Entscheidungen, die unter hohem Zeitdruck, eingeschränktem Umfang und Qualität der verfügbaren Informationen und in dynamischen Situationen getroffen werden und wesentliche Konsequenzen für unsere Patientinnen und Patienten haben. Insbesondere untersuchen wir die Mechanismen der Entscheidungsfindung in ad-hoc-Gruppen, wie sie typisch für die Notfallmedizin sind. Ein wesentlicher Fokus unserer Arbeit sind Ergebnisse mit direkter Bedeutung für unsere Patientinnen und Patienten. Dabei kooperieren wir mit zahlreichen Wissenschaftler*innen und Praktikern aus Europa und Nordamerika.

Ausgewählte Publikationen

Hautz, S. C., Schuler, L., Kämmer, J. E., Schauber, S. K., Ricklin, M. E., Sauter, T. C., Maier, V., Birrenbach, T., Exadaktylos, A., & Hautz, W. E. (2016). Factors predicting a change in diagnosis in patients hospitalised through the emergency room: A prospective observational study. BMJ Open, 6(5), e011585. https://doi.org/10.1136/bmjopen-2016-011585

Hautz, W. E., Kämmer, J. E., Hautz, S. C., Sauter, T. C., Zwaan, L., Exadaktylos, A. K., Birrenbach, T., Maier, V., Müller, M., & Schauber, S. K. (2019). Diagnostic error increases mortality and length of hospital stay in patients presenting through the emergency room. Scandinavian Journal of Trauma, Resuscitation and Emergency Medicine, 27(1), 27–54. https://doi.org/10.1186/s13049-019-0629-z

Hautz, W. E., Sauter, T. C., Hautz, S. C., Kämmer, J. E., Schauber, S. K., Birrenbach, T., Exadaktylos, A. K., Stock, S., & Müller, M. (2020). What determines diagnostic resource consumption in emergency medicine: Patients, physicians or context? Emergency Medicine Journal, 37(9), 546–551. https://doi.org/10.1136/emermed-2019-209022

Kämmer, J. E., & Ewers, M. Stereotypes of experienced health professionals in an interprofessional context—Results from a semi-structured survey. Journal of Interprofessional Carehttps://doi.org/10.1080/13561820.2021.1903405   

Sauter, T. C., Capaldo, G., Hoffmann, M., Birrenbach, T., Hautz, S. C., Kämmer, J. E., Exadaktylos, A. K., & Hautz, W. E. (2018). Non-specific complaints at emergency department presentation result in unclear diagnoses and lengthened hospitalization: A prospective observational study. Scandinavian Journal of Trauma, Resuscitation and Emergency Medicine, 26(60), 1–7. https://doi.org/10.1186/s13049-018-0526-x

Birrenbach, T., Hoffmann, M., Hautz, S. C., Kämmer, J. E., Exadaktylos, A. K., Sauter, T. C., Müller, M., & Hautz, W. E. (2022). Frequency and predictors of unspecific medical diagnoses in the emergency department: A prospective observational study. BMC Emergency Medicine, 22(1), 109. https://doi.org/10.1186/s12873-022-00665-x 

Aktuelle Themen

TeamUp - Teamentscheidungen verstehen und verbessern

Viele medizinische Entscheidungen, insbesondere in der Notfallmedizin, werden nicht durch einzelne Ärzt:innen getroffen, sondern resultieren aus der Zusammenarbeit zahlreicher Kolleginnen und Kollegen. Solche Teamentscheidungen können vorteilhaft sein, insbesondere, wenn sich die Fähigkeiten und Kenntnisse der Beteiligten ergänzen. Gleichzeitig sind zahlreiche Mechanismen beschrieben, wie Gruppen zu schlechten, teils auch katastrophalen Entscheidungen kommen können.
 

In dem EU-geförderten Projekt TeamUp (Marie-Skłodowska-Curie-Förderung, Grant-Nr. 894536) untersuchen wir in einer Reihe von experimentellen und randomisierten klinischen Studien verschiedene Mechanismen und Einflussfaktoren in Teams, die sich auf die Qualität der Teamentscheidung auswirken. https://cordis.europa.eu/project/id/894536/de

 

Teilprojekt 1: Ursprünge von erfolgreichen Teamentscheidungen

Mithilfe von experimentellen Studien mit fortgeschrittenen Medizinstudierenden untersuchen wir genauer, wie Teams im Vergleich zu Einzelpersonen diagnostische Informationen verarbeiten, um eine medizinische Diagnose zu treffen.

Ausgewählte Publikationen

Hautz, W. E., Kämmer, J. E., Schauber, S. K., Spies, C. D., & Gaissmaier, W. (2015). Diagnostic performance by medical students working individually or in teams. JAMA, 313(3), 303–304. https://doi.org/10.1001/jama.2014.15770

Teilprojekt 2: ERinteract – Adaptive Teamkoordination im Notfall

Zusammen mit der Abteilung Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin untersuchen wir anhand von Simulationen mit realen Notfallteams und detaillierten Verhaltensbeobachtungen, wie sich Teams am erfolgreichsten koordinieren, um erfolgreich eine Diagnose zu stellen oder eine Reanimation unter hohem Zeitdruck durchzuführen.

 

Teilprojekt 3: Einflussfaktoren auf die wahrgenommene Teamqualität

Die wahrgenommene Teamqualität ist relevant für zahlreiche arbeitsrelevante Ergebnismasse von der Arbeitszufriedenheit bis hin zur Patientensicherheit. In einer randomisierten Feldstudie untersuchen wir den Einfluss verschiedener patienten-, arzt- und kontextspezifische Faktoren auf die erlebte Qualität der Zusammenarbeit im ärztlichen Team.

Ausgewählte Publikationen

Kämmer, J. E., Ehrhard, S., Kunina-Habenicht, O., Weber-Schuh, S., Hautz, S. C., Birrenbach, T., Sauter, T. C., & Hautz, W. E. (2023). What factors affect team members’ evaluation of collaboration in medical teams? Frontiers in Psychology, 13, 1031902. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2022.1031902 

Teilprojekt 4: Trainingsmaterial für die medizinische Weiterbildung

Aufbauend auf unseren Erkenntnissen der Teilprojekte 1-3 entwickeln wir Schulungsmaterial für die medizinische Weiterbildung, die die Zusammenarbeit im interprofessionellen Team verbessern soll. Bei Schulungen spielt die an das Training durchgeführte Nachbesprechung (sog. Debriefing) eine wichtige Rolle. Um die Nachbesprechung zu vereinfachen, haben wir das strukturierte Beobachtungsinstrument TEAM (Cooper et al., 2010, Resuscitation) ins Deutsch übersetzt und validiert.

Ausgewählte Publikationen

Freytag, J., Stroben, F., Hautz, W. E., Eisenmann, D., & Kämmer, J. E. (2017). Improving patient safety through better teamwork: How effecte are different methods of simulation debriefing? Protocol for a pragmatic, prospective and randomised study. BMJ Open, 7, e015977. https://doi.org/10.1136/bmjopen-2017-015977

Freytag, J., Stroben, F., Hautz, W. E., Schauber, S., & Kämmer, J. E. (2019). Rating the quality of teamwork—A comparison of novice and expert ratings using the Team Emergency Assessment Measure (TEAM) in simulated emergencies. Scandinavian Journal of Trauma, Resuscitation and Emergency Medicine, 27(1), 12. https://doi.org/10.1186/s13049-019-0591-9 

INTEAM - Interprofessionelles Teamtraining in Virtual Reality. Entwicklung eines Piloten, Evaluation von Usability und Team-Performance

Zusammen mit der AG Diagnostic Decision Support und AG Virtual Reality hat das von BeLEARN finanzierte Projekt INTEAM das Ziel, ein interprofessionelles Teamtraining zu entwickeln, das dank VR-Technik zeit- und ortsunabhängig durchführbar ist.

Helfen Checklisten bei der Diagnosestellung?

Checklisten finden bereits im OP erfolgreich Anwendung. Könnten Checklisten, die die häufigsten Differentialdiagnosen für bestimmte Leitsymptome aufführen, Ärzt*innen bei der Diagnosefindung helfen? Diese Frage haben wir in einer experimentellen Studie untersucht und limitierende Faktoren ausgemacht.

Ausgewählte Publikationen

Kämmer, J. E., Schauber, S. K., Hautz, S. C., Stroben, F., & Hautz, W. E. (2021). Differential diagnosis checklists reduce diagnostic error differentially: A randomised experiment. Medical Education, 55(10), 1172–1182. https://doi.org/10.1111/medu.14596

Die Weisheit der Vielen in der Medizin

Das Konzept der «Weisheit der Vielen» besagt, dass Schätzungen einer Gruppe mitunter genauer als die beste Einzelschätzung ausfallen können. In zwei Simulationsstudien zeigen wir, dass sich Notfalldiagnosen und Antibiotikaverschreibungen verbessern lassen, wenn die Weisheit der Vielen ausgenutzt wird.

Ausgewählte Publikationen

Kämmer, J. E., Hautz, W. E., Herzog, S. M., Kunina-Habenicht, O., & Kurvers, R. H. J. M. (2017). The potential of collective intelligence in emergency medicine: Pooling medical students’ independent decisions improves diagnostic performance. Medical Decision Making, 37(6), 715–724. https://doi.org/10.1177/0272989X17696998

Krockow, E. M., Kurvers, R. H. J. M., Herzog, S. M., Kämmer, J. E., Hamilton, R. A., Thilly, N., Macheda, G., & Pulcini, C. (2020). Harnessing the wisdom of crowds can improve guideline compliance of antibiotic prescribers and support antimicrobial stewardship. Scientific Reports, 10(1), 18782. https://doi.org/10.1038/s41598-020-75063-z

Sicher und richtig?

Ahnen Ärzt*innen, wenn sie danebenliegen? Wir alle haben in unserem Alltag immer wieder ein Gefühl dafür, dass etwas, das wir gerade tun sehr gut klappt – oder eben auch nicht. In einer Reihe von experimentellen und Beobachtungsstudien untersuchen wir, wie gut unser Sicherheitsgefühl die Genauigkeit einer Diagnose vorhersagt und welche Faktoren sowohl das Sicherheitsgefühl selbst als auch dessen Kalibrierung beeinflussen.

Ausgewählte Publikationen

Hautz, S. C., Oberholzer, D. L., Freytag, J., Exadaktylos, A., Kämmer, J. E., Sauter, T. C., & Hautz, W. E. (2020). An observational study of self-monitoring in ad hoc health care teams. BMC Medical Education, 20(1), 201. https://doi.org/10.1186/s12909-020-02115-3

Hautz, W. E., Schubert, S., Schauber, S. K., Kunina‐Habenicht, O., Hautz, S. C., Kämmer, J. E., & Eva, K. W. (2019). Accuracy of self‐monitoring: Does experience, ability or case difficulty matter? Medical Education, 53(7), 735–744. https://doi.org/10.1111/medu.13801

Kämmer, J. E., Hautz, W. E., & März, M. (2020). Self‐monitoring accuracy does not increase throughout undergraduate medical education. Medical Education, 54(4), 320–327. https://doi.org/10.1111/medu.14057

Drittmittel

Die Arbeit der Arbeitsgruppe Diagnostic Decision Making wird unterstützt durch

  • einen Grant von BeLEARN 2022-2023 (laufend)
  • einen Grant des Schweizer Nationalfonds SNF 2020-2023 (laufend) 
  • ein Marie Skłodowska-Curie Fellowship der Europäischen Union 2020-2022 an Dr. Kämmer (No 894536) 
  • einen Grant des Schweizer Nationalfonds SNF 2018 (abgeschlossen)
  • einen Grant der Clinical Trials Unit und der Direktion Forschung des Inselspitals Bern 2016–2018 (abgeschlossen) 
  • einen Grant der Mittelbauvereinigung der Universität Bern 2016 (abgeschlossen)

 

Mitarbeitende

  • Tanja Birrenbach, Oberärztin Notfallzentrum
  • Karin Ernst, Dissertantin (laufend)
  • Nicole Frischknecht, Dissertantin (laufend)
  • Stefanie Hautz, Co-Leitung AG Decision Support
  • Martin Müller, Oberarzt Notfallzentrum
  • Thomas Sauter, Professor Telemedizin Notfallzentrum

Ehemalige Mitarbeitende

  • Giuliana Capaldo, Dissertantin (abgeschlossen)
  • Michèle Hoffmann, Dissertantin (abgeschlossen)
  • Daniel Oberholzer, Dissertant (abgeschlossen)
  • Luca Schuler, Dissertant (abgeschlossen)